Am 5. Juni 2025 lud der Lyriksommer anlässlich des 150. Geburtstags von Rainer Maria Rilke zu einem Abend zu Ehren des großen Dichters ein. Mehr als 90 Gäste versammelten sich im dicht gedrängten Schuhhaussaal des Kunstvereins Ulm – ein überwältigender Zuspruch.

Wir sind ganz angstallein,
haben nur aneinander Halt,
jedes Wort wird wie ein Wald
vor unserm Wandern sein.
Unser Wille ist nur der Wind,
der uns drängt und dreht;
weil wir selber die Sehnsucht sind,
die in Blüten steht.

Mit diesem Rilke-Gedicht aus dem Band MIR ZUR FEIER, zugleich auch Titel der Veranstaltung, begrüßte die Moderatorin des Abends, Christine Langer, das zahlreich erschienene Publikum im Kunstverein Ulm. Es war die erste Lyriksommer-Veranstaltung im historischen Schuhhaussaal des Kunstvereins, weshalb sich die Organisatoren ganz besonders über die Resonanz der zahlreichen, auch auswärtigen Gäste freuten.

Nach der Begrüßung durch Kunstverein-Geschäftsführer Udo Eberl stimmte der Pianist Bernhard Sinz das Publikum auf dem Flügel in einen ganz besonderen Abend ein. Seine musikalische Umrahmung sorgte für viel Applaus und umspannte Stücke von Jens Christian Bugge Wesseltoft, Esbjörn Svensson und Martin Tingvall.

Anlass für den den Abend zu Ehren von Rainer Maria Rilke (1875 – 1926) war nicht nur dessen 150. Geburtstag, sondern auch die Wiederauflage des Rilke-Werks MIR ZUR FEIER, das Rilke selbst als sein „eigentlich erstes Buch“ bezeichnete. Rilke arbeitete für dieses Buch, das 1899 erstmals aufgelegt wurde, eng mit dem Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler zusammen, zu dessen Illustrationen er sagte: „Heinrich Vogeler setzte Bäume wie man Buchstaben setzt“. Wort und Bild sind in diesem Gesamtkunstwerk eng aufeinander abgestimmt und einzigartig; in den folgenden Ausgaben des Insel Verlags erschienen die Gedichte ohne Illustration.

In einer eindringlichen und ausdrucksstarken Lesung stellte Stephan Clemens vom Theater Ulm nicht nur Verse aus MIR ZUR FEIER vor, sondern rückte auch wichtige Gedichte aus verschiedenen Schaffensperioden Rilkes in den Mittelpunkt. Clemens verlebendigte Rilkes Tonlagen und berührte durch Ausdruckskraft.

Zu Gast an diesem Abend waren auch der Mitherausgeber des wiederaufgelegten Werks Gerhard Mayer sowie Jörg Neugebauer, Mitglied der Rilke-Gesellschaft. Im Gespräch mit Christine Langer thematisierte Gerhard Mayer die Hintergründe seiner Mitherausgeberschaft sowie seinen persönlichen Zugang zu Rainer Maria Rilke. Jörg Neugebauer vertiefte Rilkes schriftstellerische Entwicklung und skizzierte prägende Beziehungen in seinem künstlerischen und privaten Umfeld. Ein literarischer und informativer Abend, der Rilke ein weiteres Mal zeigte als ein „Falke, ein Sturm / oder ein großer Gesang“.

Beseelt von einem berührenden Lyrikabend mit Hintergrundgeschichten gab es nach der Veranstaltung noch einen regen Austausch unter den Gästen und mitwirkenden Akteuren. Dichter dran e.V. freute sich über eine rundum gelungene Lyriksommerveranstaltung, die in der Ulmer Literaturszene noch lange nachhallen wird.

Der Rilke-Abend MIR ZUR FEIER wurde von Dichter dran e.V. im Rahmen des Ulmer Lyriksommers 2025 organisiert und von der Stadt Ulm sowie privaten Spendern gefördert. Der Lyriksommer 2025 wird noch zwei weitere Male im Schuhhaussaal des Kunstvereins gastieren. Am 25. September 2025 bieten Katrin Avison und Tizian Jost mit Female Instincs ein hochkarätiges Jazz & Lyrik – Programm und am 23. Oktober 2025 gibt es im Kunstverein mit Wortakrobaten ein literarisches Lesefest der Extraklasse mit den Stars der Deutschen Lyrikszene, Jan Wagner und Nora Gomringer. Bereits am 4. Juli 2025 findet der Lyriksommer seine Fortsetzung im Club Orange des Einsteinhauses Ulm mit der Lesung Weben & Beben – die Sprache in Poesie und Prosa mit der Deutschen Buchpreisträgerin Martina Hefter.

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