Ulmer Lyriksommer 2024 – Dichter dran e.V. veranstaltet am 28. Juni 2024 einen Abend zu Ehren des Dichters Erich Fried mit Katharina Kohm und Christine Langer.

Späte Willensfreiheit

Einmal
will ich
dann nur noch
tun
was ich will

Aber
wenn ich soweit bin
was kann ich
dann
noch wollen?

Erich Fried: Freiheit – Gedichte. Quartbuch. Verlag Klaus Wagenbach 2018

Mit diesem Gedicht von Erich Fried begrüßte Christine Langer das Publikum im Club Orange des Einsteinhauses. Das Thema des Literatursommers Baden-Württemberg „Der Freiheit eine Gasse! – Literatur und Demokratie“ hat das Ulmer-Lyriksommer-Team dazu bewogen, den politisch engagierten Dichter Erich Fried, der sich zeitlebens gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung einsetze, ins Gedächtnis zu rufen. „Liebesgedichte – politisch gedacht“ war die Veranstaltung überschrieben, bei der Katharina Kohm und Christine Langer unterschiedliche Fried-Gedichte zum Thema Freiheit, Natur, Politik und Liebe im Dialog beleuchteten.

„Freiheit ist ein Ding der Unmöglichkeit“, „Freiheit / herrscht nicht“, „welche Grenzen hat Freiheit“? Erich Fried transportiert klare Botschaften in seinen Gedichten, was die beiden Referentinnen anregte, darüber zu sprechen, wieviel Geheimnis ein Gedicht benötigt und wie es sich gegenwärtig liest, die „Welt erklärt zu bekommen“, wie es in Fried-Gedichten oft der Fall ist.       

„Denn Freiheit ist nur die Freiheit
leichter oder besser
kämpfen zu können
gegen die Unfreiheiten“

Auszug aus dem Fried-Gedicht „Freiheit, die ich meine“

Freiheitsgedichte wechselten mit politischen Gedichten – auch Frieds lyrischer Bezug zur Natur wurde diskutiert anhand weniger bekannter Naturgedichte wie beim folgenden Tanka:

Strauch mit herzförmigen Blättern                               

Sommerregen warm:
Wenn ein schwerer Tropfen fällt
bebt das ganze Blatt.
So bebt jedes Mal mein Herz
wenn dein Name auf es fällt

Aus: Erich Fried: Als ich mich nach dir verzehrte. Gedichte von der Liebe. (Wagenbach SALTO)

Kohm und Langer sprachen auch von Frieds Bezug zu anderen Dichtern und streuten jeweils Text-Beispiele ein. Dazu zitierte Katharina Kohm aus Goethes Faust und Jandls Werk. Ein KI-Experiment von Prof. Manfred Reichert ergänzte den informativen und gehaltvollen Abend mit der Frage: (Wann) kann KI dichterische Prozesse ausführen? Reichert ließ die KI anhand von Fried-Gedichten verschiedene Bilder generieren, die er an die Leinwand projizierte – das Ergebnis war verblüffend.

Ein schöner literarischer Abend zu Ehren des großen Dichters Erich Fried!

Katharina Kohm (li.) und Christine Langer (re.) (Foto: mr)

Der Erich-Fried-Abend mit Katharina Kohm und Christine Langer wurde von Dichter dran e.V. in Kooperation mit der vh Ulm organisiert. Er wurde von der Baden-Württemberg-Stiftung im Rahmen des Literatursommers 2024 sowie von der Kulturabteilung der Stadt Ulm gefördert.

Comments are closed