Bericht zum inklusiven Gedichteworkshop „Ein Baum, ein Tisch, ein Stuhl – ein Gedicht?“ im Club Orange am 7. Juli 2022
Ganz besondere Momente und Begegnungen ermöglichte der inklusive Schreibworkshop des Ulmer Lyriksommers am 7. Juli 2022 im Einsteinhaus. In der von Christine Langer und Martina Auer, in Kooperation mit der vh Ulm und dem LEA Leseklub, organisierten Schreibwerkstatt trafen Erwachsene mit und ohne Behinderung im Club Orange aufeinander. Für sie sollte kreatives Potenzial für poetisches Schreiben gefördert werden. Dabei war die Freude am Tun wichtiger als das Resultat, ging es vorrangig nicht um richtig oder falsch, sondern vor allem darum, sich auszuprobieren und auszudrücken, innere Spielräume zu entdecken.
Bei der Vorstellungsrunde gaben die 15 Teilnehmer*innen verschiedene Einblicke in ihre ersten Schreibversuche, ihre spezielle Wahrnehmung von Gedichten und ihre Erwartungen an den Workshop. Einige der Teilnehmer*innen hatten bereits Schreibseminare besucht und brachten verschiedene Vorkenntnisse mit ein. Ein eigenes Gedicht Valentins wurde sogar bereits in einem Kalender publiziert und von ihm stolz der Gruppe vorgelesen. Die Teilnehmer*innen hatten ganz konkrete Erwartungen an den Workshop, wollten z.B. ein Gedicht für eine Freundin verfassen oder hofften, nach den Impulsen durch die Lese- und Schreibgruppe, endlich den lang ersehnten Reim zu finden.
Ein anfängliches Gespräch über Dichtkunst im Allgemeinen machte deutlich, dass sich einige Teilnehmende schon im Schreiben in Gedichtform bzw. auch im Reimen ausprobiert hatten. Es entstand rasch ein anregender und intensiver Dialog über grundlegende Begrifflichkeiten, wie z. B. Vers, Silbe, Strophe oder Sprachrhythmus. Bekannte Verse und Gedichte wurden aus verschiedenen Teilen gepuzzelt und in der Gruppe wurden verschiedene Gedichtbeispiele vorgelesen und diskutiert, unter anderem von Ernst Jandl, Christian Morgenstern, Heinrich Heine, Joachim Ringelnatz und Heinz Ehrhardt. Die Neugier war geweckt! Zum lyrischen Ich entstanden unterschiedliche Überlegungen, und wer das „du“ in Goethes bekanntem Zitat „Verweile doch, du bist so schön“ sein könnte, regte Fragen, Antworten, gedankliche Möglichkeiten, und vor allem die Phantasien der Teilnehmer*innen an.
Alle waren sofort mittendrin im Thema und die Lust war rasch geweckt, in vier inklusiven Arbeitsgruppen eigene Gedichte zu entwickeln. Hier entstanden dann ein Sommer- und ein Wintergedicht, ein Urlaubsgedicht und ein Gedicht für eine gute Freundin. Alle vier Gedichte wurden zum Schluss am Pult auf der Bühne des Club Orange mit Enthusiasmus und Herz vorgetragen. Großes Strahlen in der Runde, lautstarkes Jubeln, stolzer Applaus für die Lesenden, und vor allem eines: ein großes Gemeinschaftsgefühl in Gruppe.
Die beim Worshop entstandenen vier Gedichte werden demnächst im Schaufenster der Kulturbuchhandlung Jastram, einem weiteren Kooperationspartner des Ulmer Lyriksommers, ausgestellt. Deutlich war auch zu spüren, dass das Ziel der beiden Workshopleiterinnen, kreatives Potenzial für poetisches Schreiben zu fördern, klar erfüllt wurde, mehr noch: es wird im August ein Wiedersehen mit der Gruppe geben.
Der Ulmer Lyriksommer wurde an diesem Nachmittag seinem Anspruch gerecht, poetische Augenblicke für ALLE Ulmer*innen zu ermöglichen. Mit dem inklusiven Gedichtworkshop haben die Macher*innen des Ulmer Lyriksommers auch den Literatursommer Baden-Württemberg um eine ganz besondere Veranstaltung bereichert.
Kunstwerk e.V. und die beiden Workshopleiterinnen bedanken sich bei der Baden-Württemberg Stiftung, der Stiftung Kultur und Bildung der Stadt Ulm und der Ernst-Wilken-Stiftung für die Förderung der inklusiven Veranstaltung.
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